„Hälsch de raus, kommsch en nix nei.“

 

 

Ich denke, das wäre Jonas Lebensmotto gewesen, wenn er nicht im alten Israel, sondern in Schwaben zur Welt gekommen wäre.

„Hälsch de raus, kommsch en nix nei.“ ist ein wohlmeinender Rat schwäbischer Eltern an ihre Kinder, wenn es Stress in der Klasse gibt oder es ist die Handlungsempfehlung unter Kollegen, wenn dem Chef mal wieder der Kragen platzt. Sollte man da nicht was sagen? Was tun? „Lieber net, hälsch de raus, kommsch en nix nei.“ Ball flach und Füße still halten und möglichst ungestreift durchkommen.

 

Genau das war auch Jonas erklärtes Ziel. Eines Tages hat er von Gott einen Auftrag erhalten. Das ehrt ihn, sollte man meinen. Aber die Mission war nicht gerade gemütlich. Er sollte in eine starrsinnige Stadt gehen und dort den Menschen das Gericht Gottes predigen. „Ihr habt noch 40 Tage Zeit, um euer Lotterleben zu ändern. Wenn ihr das nicht tut, wird Gott die ganze Stadt vernichten.“

Jonas erste Reaktion: „Hälsch de raus, kommsch en nix nei.“

 

Wenn ich mich umhöre, habe ich das Gefühl: Immer mehr machen es so. An sich denken und schön raushalten. Wir haben uns lange genug am Riemen gerissen, aber jetzt wird´s dann doch lästig. Zunehmend sehe ich, dass versucht wird, „das Thema“ aus unserem Alltag rauszuhalten. Corona macht uns müde und so langsam auch gleichgültig.

Auch im Konfiteam haben wir überlegt, unter welches Motto wir unsere Konfirmation im September stellen. Sollen die Konfis wie gewohnt aussuchen dürfen? Was, wenn dann Corona kommt? Sollte man dieses Thema nicht ganz bewusst raushalten?

Klar, wäre es für die Konfis schön, einen unbeschwerten Gottesdienst zu feiern, aber mal ehrlich: Ganz sorglos und in einer feierlich geschmückten und vollen Kirche wird‘s doch sowieso nicht sein. Unsere Kirche hat derzeit 19 zugelassene Plätze. Und in einer Bank sitzt immer Corona.

 

Raushalten geht nicht. Wir können nicht so tun, als wäre da draußen gerade nichts los. Das hat auch bei Jona nicht geklappt. Er wollte sich heimlich, still und leise davonschleichen, aber spätestens im Fischbauch musste er einsehen, dass Gott immer an seiner Seite war. Und das war seine Rettung. Was, wenn Gott damals beschlossen hätte: „Jetzt rennt der Dackl weg! Haja, hälsch de raus, kommsch en nix nei“? Dann wäre Jona in den Wogen des Meeres versunken und Ninive zu Staub zerfallen.

 

Aber Gott hält sich eben nicht raus. Er geht immer dorthin, wo es unbequem wird. Da ist sein erklärter Lieblingsplatz: an der Seite der Schwachen, da, wo die Not am größten ist, dort, wo sich alle gern raushalten. Ich glaube: Genau da ist er, ohne Ausnahme.

 

Im Gegensatz zum verlässlichen Gott gehen Menschen ganz unterschiedlich mit einer so belastenden Situation um. Die einen macht die gesellschaftliche Lähmung aggressiv, die anderen verdrängen die Bedrohung und führen ihr Leben scheinbar normal und wieder andere ziehen sich aus Sorge sehr zurück. All das ist menschlich und kann nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ich kann nicht alle Verhaltensmuster nachvollziehen – muss ich aber auch nicht. Wichtig ist, dass mir bewusst bleibt: Gott ist an unserer Seite. An deiner und an meiner und er begleitet jeden von uns durch diese Zeit. Als Jona das verstanden hat, tat er das, was gerade nötig war. Auch wenn das für ihn nicht der angenehmste Weg war. Aber so wurde er zur Rettung für viele Menschen.

 

Für mich heißt das: Ich kann mich darauf verlassen, dass Gott sich nicht aus meinem Leben raushält. Ich spüre, dass er mir immer den rettenden Fisch schickt, den ich gerade brauche. Mal Mut, um nicht im Schneckenhaus zu verschwinden, mal Gelassenheit gegenüber dem Verhalten anderer Menschen, mal Zuversicht, dass selbst die tiefste Krise eines Tages enden wird. Und dann werde ich froh sein, dass Gott sich nicht rausgehalten hat.

 

Dass er immer da ist, das bringt mich an verschiedenen Stellen dazu, Farbe zu bekennen. Weil Gott sich nirgends rausgehalten hat, kann ich als Christ Stellung beziehen und ich denke, ich muss es auch. Raushalten geht für mich nicht mehr, wenn es zum Beispiel um Rassismus oder Ungerechtigkeit geht. Manchmal spüren Menschen nicht, dass Gott an ihrer Seite ist, weil ihre Not zu groß ist, um irgendetwas zu fühlen. Dann kann es gut sein, wenn ich da bin und zeige: Du bist mir wichtig. Das kann für mich aufwändig, für den anderen aber die Rettung sein.

 

In diesem Sinne – halt di net raus!

Ihre Pfarrerin

Isabella Bigl